Er ist einer der wichtigsten Kulturmanager des Landes: Geschäftsführer der Vereinigten Bühnen Wien (Ronacher, Raimund Theater, Theater an der Wien) und Präsident des Wiener Bühnenvereins. Die Zahlen, die Franz Patay mit seinen Theatern liefert, sind beeindruckend: Rund 600.000 Tickets verkaufen die Vereinigten Bühnen in normalen Zeiten in Wien. Dazu kommen noch bis zu eine  Million BesucherInnen für Lizenzproduktionen weltweit. „I am from Austria“ war zuletzt in Japan mit 250.000 verkauften Tickets absolut ausverkauft. Wie geht es also dem Chef eines globalen Players in Zeiten der Krise? Wir haben nachgefragt.

Anzeige
Anzeige

Schwierige Zeiten für Kulturbetriebe

Triviale Frage: Wie geht es Ihnen?

Franz Patay: Ich bin gesund und froh darüber, dass mein privates Umfeld auch gesund ist. Auf der anderen Seite ist es eine große Belastung, für fast 800 Menschen die Verantwortung zu haben, die eigentlich stark motiviert in einem Emotionsgeschäft sind. Das zieht sich durch vom Publikumsdienst, vom Billeteur, der dem Publikum als erster Ansprechpartner Emotionen transportiert und einen schönen Abend wünscht, über die Techniker, die sich bemühen, ein Bühnenbild zu bauen, alle Bereiche, in denen Handwerker und Techniker beschäftigt sind.

Das könnten sie bei einem großen Konzern für mehr Geld auch machen. Sie sind aber bei uns, weil das ein Teil ihres Lebens ist: Musiktheater, Kunst, Kultur, Leute glücklich zu machen. Die neue Virusmutation und die Ankündigungen der Politik, Lockdown bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag, lassen nicht wirklich darauf hoffen, dass wir in näherer Zukunft zum Normalbetrieb zurückkehren. Und mit dieser Situation umzugehen ist eine große Herausforderung.

Wir leiden schon seit Juli darunter, dass die Ankündigungen nicht halten und relativ kurzfristig kommen."

Franz Patay, Vereinigte Bühnen Wien

Was müsste geschehen, dass Ihnen der Druck genommen wird?

Anzeige
Anzeige

Franz Patay: Wir leiden schon seit Juli darunter, dass die Ankündigungen nicht halten und relativ kurzfristig kommen. Ich fände es besser, wenn man längerfristige Szenarien entwirft. Bei den von der AGES publizierten Zahlen am 10. Dezember war doch absehbar, dass am 24. Jänner nicht gespielt werden kann – aber die Verordnung sagt, bis dahin ist Lockdown, und darüber hinaus ist nichts bekannt, man wird im Ungewissen gelassen. Wenn wir Produktionen verschieben, so hat das auf die VBW andere ökonomische und juristische Folgen, wenn dies aufgrund einer persönlichen Einschätzung oder aufgrund der Rechtslage geschieht. Das ist das Problem.

Kein Covid-19-Cluster im Herbst in Theatern

Wie sicher ist eigentlich der Theater­besuch?

Franz Patay: Alle Theater haben von GesundheitsexpertInnen geprüfte und von Behörden abgenommene Covid-19-Präventionskonzepte. Es gab im Herbst keinen einzigen Cluster in den Theatern. In einem Theater sitze ich drei Stunden, alle schauen in eine Richtung, tragen Masken, und dazu haben wir eine Lüftungsanlage, die um ein Vielfaches mehr an Kubikmetern pro Stunde austauscht, als die Behörde verlangt – und zwar Frischluft, nicht Umluft.

Auch das Ergebnis der vor kurzem veröffentlichten Aerosol-Studie des Fraunhofer Heinrich-Hertz-Instituts im Konzerthaus Dortmund ist eine echte Perspektive für die Wiedereröffnung von Konzerthäusern und Theatern: „… das Theater kann mit vorhandenem Lüftungskonzept kein Superspreading-Event auslösen.“

Und es gibt in allen Theatern, so auch bei uns, ein Besucherleitsystem, um die Kontakte möglichst gering zu halten. Das alles haben wir gemacht. Diese Konzepte kosten im Übrigen auch Geld, erhöhen den Subventionsbedarf, und es ist nicht restlos geklärt, wie die Mehrkosten und Einnahmeausfälle kompensiert werden. 

Kulturinstitutionen haben Multiplikatoren-Effekte

Wir haben den Eindruck, dass die Politik Skilifte höher bewertet als Kunst und Kultur.

Franz Patay: Den Eindruck habe ich auch, wobei hier wahrscheinlich reine wirtschaftliche Aspekte im Vordergrund stehen. Anscheinend wird der ökonomische Wert von Kulturbetrieben nicht richtig eingeschätzt. Wir und andere Kulturinstitutionen bekommen zwar Subventionen, stoßen aber mit unseren Aktivitäten und Ausgaben Multiplikatoren-Effekte an, die sich wiederum positiv auf andere Branchen auswirken.

Dass dies so ist, hat die Coronakrise leider drastisch gezeigt. Branchen, die von uns bisher profitiert haben, wie z. B. Veranstaltungs- und Tontechnik, Kostümschneider, Tischler, Taxiunternehmer, die Modeindustrie, Friseure, Hotels und Restaurants, leiden stark darunter, dass veranstaltungs­bezogene Ausgaben nicht mehr getätigt werden. Bisher waren alle Studien über Umweg-Rentabilität der Kulturbetriebe Theorie, jetzt sieht man die ökonomischen Nachteile, die alle Branchen haben, wenn bei uns Stillstand herrscht. 

„Wir jammern nicht", sagt Franz Patay beim Interview im Theater an der Wien.

Foto: Rita Newman

Irrsinniger logistischer Aufwand

Wie kompliziert ist derzeit die Dispo von Tickets und Produktionen?

Franz Patay: Wir müssen beim Musical pro Haus im Jahr ca. 250.000 Karten verkaufen und ca. 100.000 in der Oper. Das ist eine Menge, das ist operative Arbeit, da braucht man eine Vorlaufzeit. Und dann wird einem gesagt: Verlängern wir den Lockdown um zwei Wochen – das sind bei uns insgesamt zwischen 30.000 und 35.000 Tickets. All diese Menschen, die schon Karten hatten, müssen benachrichtigt werden. Und jeder erwartet, dass individuell auf seine Situation eingegangen wird.

Das sind Faktoren, die PolitikerInnen wahrscheinlich nicht präsent haben. Ich muss ja auch schauen, ob HauptdarstellerInnen, DirigentInnen, das Orchester zu einem Alternativtermin überhaupt Zeit haben. Die stehen ja nicht Gewehr bei Fuß und haben meist auch andere Verpflichtungen. Dahinter liegt eine irrsinnige Logistik. Wir arbeiten seit zehn Monaten so, und die Müdigkeit ist bemerkbar. Ich will aber positiv bleiben und nicht jammern. 

Die Sehnsucht nach einem gemeinsamen emotionalen Erlebnis ist tief in den Menschen verankert.

Franz Patay, Vereinigte Bühnen Wien

Und künstlerisch?

Franz Patay: Wir beschäftigen uns auch damit, wie wir in der Zeit nach einem Lockdown wieder attraktiv sein werden. Wir versuchen, auch ohne Theateraktivität mit dem Publikum in Kontakt zu bleiben. Vor Weihnachten haben wir zum Beispiel Türstopper aus dem alten Boden des Raimund Theaters gefertigt und an das Publikum gegen Spende abgegeben. Innerhalb von wenigen Tagen waren alle vergriffen. Wir sind auch dabei, neue Musicalstoffe konzeptionell zu entwickeln, selbst wenn die Umsetzung schwierig ist, sodass wir erst in den Jahren 2022/23 mit neuen Stücken rauskommen können. 

Haben Sie Angst, dass nach dem Wahnsinn kein Interesse mehr an Kunst und Kultur besteht?

Franz Patay: Kunst und Kultur hatten immer schon einen großen Stellenwert bei den Menschen. Das zeigen schon die antiken Theater, die mit unglaublicher Anstrengung errichtet wurden, damit dort 20.000 Menschen und mehr gemeinsam ­Aufführungen beiwohnen konnten. Diese Sehnsucht nach einem gemeinsamen emotionalen Erlebnis ist tief in den Menschen verankert und wird es auch nach der Pandemie noch geben. 

Nur etwa ein Drittel der Besucher aus Wien

Der Wert Ihres Unternehmens für die Stadt Wien?

Franz Patay: Aus unseren Publikumsbefragungen wissen wir, dass die Vereinigten Bühnen Wien vom Publikum als Qualitätsanbieter im Bereich Musiktheater sehr positiv wahrgenommen und bewertet werden. Von unseren rund 600.00 BesucherInnen in Wien kommen nur 35 Prozent direkt aus Wien, der Rest ist aus den Bundesländern sowie internationale Gäste. Wenn wir die BesucherInnen unserer Veranstaltungen im Ausland dazurechnen, so leisten die VBW definitiv einen großen Beitrag zum positiven Image der Stadt Wien als Stadt und Musikstadt.

Aktuelle Informationen aus den Theatern

Musical

Theater an der Wien

Weiterlesen

Christian Kircher: Theater in Zeiten der Pandemie

Christian Struppeck: „Im Musical geht es immer um Liebe“