Schon der Name des Stücks, die klassische und auf sehr viel Herzschmerz hindeutende Verknüpfung zweier Vornamen mit dem einfachen Bindewort „und“, lädt dazu ein, „Pelléas und Mélisande“ völlig bedenkenlos und ungeniert dort einzuordnen, wo sich „Tristan und Isolde“, aber auch „Romeo und Julia“ bereits gemütlich eingerichtet haben. 

Anzeige
Anzeige

Akzeptiere bitte die Marketing Cookies, um diesen Inhalt zu sehen.

Cookie Einstellungen

Könige und böse Stiefmütter

Ganz so simpel ist die Sache jedoch nicht. Denn obwohl es sich bei Maurice Maeterlincks symbolistischem Hauptwerk um eine Liebes- und Eifersuchtsgeschichte in klassisch verhängnisvoller Dreieckskonstellation handelt, lässt sich das Stück nicht so einfach fassen und schon gar nicht
auf eine bestimmte Form reduzieren. Eher zieht es an einem vorbei wie eine große Wolke, in die man gerne den Kopf stecken möchte, um zu erfahren, was sich in ihrem Inneren so tut. Und um sich, zumindest für ein paar Augenblicke, in ihr zu verlieren. „Als ich das Stück zum ersten Mal gelesen habe, hat es mich sehr an ein Märchen erinnert, vor allem aufgrund der Figuren. Könige und böse Stiefmütter kennt man ja in erster Linie aus Märchenwelten“, sagt Sophie von Kessel. Sie schlüpft in der Inszenierung des amerikanischen Regisseurs Daniel Kramer in die Rolle der Mélisande. 

Beschäftigt man sich ein wenig mit „Pelléas und Mélisande“, wird sehr schnell klar, dass nicht die Handlung das Stück bestimmt, sondern die konsequente Aneinanderreihung von Leerstellen. Für ein Theaterstück auf den ersten Blick vielleicht ungewöhnlich, regiert hier also das  Unausgesprochene. „Dass das Stück diesen starken symbolischen Charakter hat, macht es für manche zu einem absoluten Geschenk und für die anderen zu einem totalen Horror. So wurde es in der Vergangenheit auch rezensiert. Es gab und gibt sowohl Gegner als auch wahnsinnige Liebhaber dieses Stücks“, beschreibt Felix Rech. Er wandelt als Pelléas durch Maeterlincks nur schwer durchschau­bare Welt. Für beide ist es die erste Auseinandersetzung mit dem nur selten inszenierten Stück. 

Eigene Fassung von Pelléas und Mélisande

Daniel Kramer, der auch schon Claude Debussys Opernvertonung der Geschichte von Pelléas und Mélisande auf die Bühne gebracht hat, hat für seine Inszenierung am Burgtheater eine eigene Fassung des Stücks angefertigt. Im Mittelpunkt des Geschehens steht bei ihm Mélisande. Sie hat mit einem Trauma zu kämpfen, dessen Ursprung sich den Zuschauern bis zum Schluss nicht wirklich erschließt. 

Anzeige
Anzeige

„Er hat das Stück total aus seinem zeitlichen Kontext herausgelöst, wodurch wir uns eigentlich durch einen zeitlosen Raum ­bewegen“, sagt Sophie von Kessel, die ebenso wie Felix Rech direkt von der Probe zu unserem Gespräch ­gekommen ist, die rätselhafte Traumwelt Maeterlincks also gerade erst wieder gegen ein Stückchen Realität eingetauscht hat.

Sie wirken wie zwei ­verlorene Kinder, die sich in ihrer ­Verlorenheit auf derselben Ebene treffen.

Das Verhältnis des tragischen Liebespaares Pelléas und Mélisande würde sie eher als fast geschwisterlich ­bezeichnen. „Sie wirken wie zwei ­verlorene Kinder, die sich in ihrer ­Verlorenheit auf derselben Ebene treffen“, präzisiert sie. In ähnlicher Weise beschreibt auch Felix Rech die mysteriöse Anziehung zwischen den beiden Figuren. „Sie sind sich sehr ähnlich, gleichzeitig aber auch zwei ganz schön kaputte Vögel“, bringt er es lachend auf den Punkt. 

Felix Rech im Garten der Probebühne im Wiener Arsenal: Er hat – wie auch seine Bühnenpartnerin – in Wien am Reinhardt Seminar studiert.

Foto: Anna Breit

„Comeback" am Burgtheater

Festes Ensemblemitglied ist Felix Rech zwar erst seit Beginn der vergangenen Spielzeit. Die Bühne des Burgtheaters kennt er aber bereits aus Studienzeiten. Noch während seiner Ausbildung am Max Reinhardt Seminar übernahm er als Eleve kleinere Rollen. „Und jetzt also das große Comeback“, sagt er.

Mit ruhiger Stimme, die im Gespräch nur hin und wieder vermuten lässt, dass sie in Ulrich Rasches monumentaler Inszenierung von „Die Bakchen“ alles andere als kleinlaut jeden noch so kleinen Winkel des Theatersaals ausfüllte, setzt er nach: „Nein, ganz im Ernst, ich finde es schön, wieder hier zu sein. Ich wohne gleich um die Ecke von meiner ersten Studentenwohnung und laufe deshalb immer wieder an Plätzen vorbei, die ich aus meiner Studienzeit noch gut kenne.“ 

Von der symbolischen Traumwelt in die Realität

Auch Sophie von Kessel kennt Wien aus ihrer Zeit am Max Reinhardt Seminar. „Die Stadt sah damals noch komplett anders aus. Und gefühlt gab es nur eine Joghurtsorte im Supermarkt, nämlich ‚Nöm Mix‘, sagt sie schmunzelnd. Dass sie sich in Wien schnell wieder wohlgefühlt hat, sei auch dadurch ermöglicht worden, dass sie die Arbeit für „Das Himmelszelt“ als unglaublich bereichernd empfunden hat. „Zwischen den dreizehn Frauen, die in diesem Stück gemeinsam auf der Bühne stehen, hat sich sehr schnell eine tolle Gruppendynamik entwickelt. Es war eine unglaublich harmonische Zeit“.

Aus Maeterlincks symbolistischer Traumwelt sind wir nun also wieder ganz in der Realität angekommen. Und die lautet für die beiden erst einmal Wien. Träume und Erinnerungen selbstverständlich inklusive. 

Zur Person: Felix Rech

Der 43-Jährige studierte am Max Reinhardt Seminar in Wien und wurde im dritten Studienjahr als Eleve ans Burgtheater engagiert. Es folgten Engagements am Maxim Gorki Theater in Berlin, am Residenztheater München, am Schauspielhaus Bochum und am Schauspiel Frankfurt. 

Zur Person: Sophie von Kessel

Die 52-Jährige wurde in Mexico City geboren, studierte am Max Reinhardt Seminar und an der Juilliard School in New York und war vor ihrem Engagement am Burgtheater Ensemblemitglied am Münchner Residenztheater. In den Jahren 2008 und 2009 spielte sie die Rolle der Buhlschaft bei den Salzburger Festspielen.

Termine und Karten

Hinweis: Die Premiere musste verschoben werden und ist nach aktuellem Stand für Anfang Februar geplant. Änderungen und Aktualisierungen finden Sie auf der Homepage des Burgtheaters.

Aktueller Stand des Spielplans des Burgtheaters

Weiterlesen: Michael Maertens als Mensch-Maschine im leeren Theater