1. Wie lange haben Sie die Beantwortung dieser Fragen vor sich hergeschoben?
Caroline Peters: … erwischt! Gleich mit der ersten Frage! Bis es sich nicht länger aufschieben ließ, weil es abgegeben werden soll.

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2. Ist Prokrastination für Sie eher ein Fremdwort oder eine alte Bekannte, die in den unpassendsten Momenten auftaucht?

Prokrastination hält meine Wohnung ordentlich. Wann immer ich Text lernen muss, die Steuer machen oder ähnlich aufregende Vorhaben beginne, putze und räume und bügle ich so lange, bis die Probe schon begonnen hat, die Steuer schon vor einer Woche hätte abgegeben sein müssen. Prokrastination ist also eher so etwas wie meine häusliche Angestellte.

3. Haben Sie schon einmal ein Interview abgebrochen? Wenn ja, warum? 

Nein, das musste ich noch nie. Einmal aber hätte ich gern – als ein junger Mann mich zur Ausstrahlung der ersten Folgen der Komödie „Mord mit Aussicht“ vor 13 Jahren fragte, was ich glaube, warum es Frauen so schwerfalle, komisch zu sein.

Nur 30 Sätze für die Buhlschaft

4. Es sind nur 30 Sätze, die im Salzburger „Jedermann“ von der Buhlschaft gesprochen werden. Was macht die Rolle trotzdem so reizvoll?

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Mir hat das ganze Vorhaben so viel Freude gemacht. Freiluft, die gewaltige Kulisse des Doms, die 100-jährige Wiederholung der Aufführung, die Art und Weise, wie Moretti den Jedermann interpretiert hat. Man wird eingesogen von dieser Verbindung zu den ersten Festspielen 1920.

5. Die Uraufführung des „Jedermann“ 1911 in Berlin fiel bei der Kritik durch. Warum passt das Stück besser nach Salzburg als nach Berlin? 

Ich habe mich den ganzen Sommer gefragt, was die geheime Verbindung von Salzburg und Berlin sein könnte. Nichts scheint mir gegensätzlicher zu sein. Aber schließlich denke ich, genau das ist es. Der ungeheure Gegensatz – Salzburg und das Salzkammergut sind so üppig und reich und katholisch, Berlin ist so karg und protestantisch. Die Geschichte vom „Leben und Sterben des reichen Mannes“ kommt in Berlin vielleicht nicht halb so oft vor. In Salzburg ist der reiche Mann wirklich ein Jedermann, in Berlin eine Ausnahme.

6. Sie kennen sowohl Berlin als auch Wien sehr gut. Was kann Wien, was Berlin nicht kann? 

Lässigkeit mit Eleganz verbinden. Und sehr gut kochen und backen.

Mühsames Textlernen

7. Und umgekehrt? 

Man kann in Berlin immer wieder einen neuen Stadtteil entdecken, in dem man sich wie in einer völlig anderen Stadt fühlt.

8. Man sagt ja, dass in Wien jede Taxifahrerin, jeder Taxifahrer weiß, was am Burgtheater gespielt wird. Wie oft wurden Sie in einem Wiener Taxi schon auf eine Ihrer Rollen angesprochen?

Hmmmm – also, ganz ehrlich – noch nie. Ich weiß nicht, ob die Taxifahrerinnen und Taxifahrer keine Zeitungen mehr lesen, ob das Publikum nicht mehr Taxi fährt, aber ich kenne eher Fragen wie: „Burgtheater? Ist das dieses Gebäude gegenüber vom Rathaus?“ Wohingegen viele andere Leute – Apothekerinnen oder Apotheker, Ärztinnen oder Ärzte, Kellnerinnen oder Kellner – oft sehr genau Bescheid wissen und man sich gut und gern unterhalten kann über Rollen, Aufführungen, wer Regie geführt hat und welcher Autor oder welche Autorin was geschrieben hat.

9. Unter welchen Bedingungen können Sie am besten Text lernen? 

Eigentlich GAR nicht. Ich finde es unter absolut allen Umständen anstrengend, schwierig, langweilig, mühevoll, und ich träume von einem Chip im Kopf, auf den ich die Weltliteratur runterladen kann …

Durch eine Schleuse in eine andere Realität

10. Fällt es Ihnen schwer, sich von Rollen abzugrenzen? Oder anders: Wie viel Medea bringen Sie nach den Vorstellungen mit nach Hause?

Ich bringe eigentlich nichts nach Hause. VOR der Vorstellung, da muss ich durch so eine Art Schleuse – von einer Realität zur anderen. Aber hinterher – was auf der Bühne gesagt wurde, bleibt auch auf der Bühne.

11. Es gibt nur sehr wenige klassische Stücke, deren Titelrollen Frauen gehören. Wie gleichberechtigt ist das Theater im Jahr 2020? 

Das Theater im Jahr 2020 arbeitet sehr viel daran, Gleichberechtigung her­zustellen, nicht nur zwischen Mann und Frau. Aber das klassische Repertoire ist dabei keine Hilfe. Natürlich kann man männliche Titelrollen an Frauen geben und auch für alle anderen Rollen gender- und nationalitätenfreie ­Besetzungen erkunden. Ich persönlich sehe dann aber lieber eine neue Geschichte, einen neuen Plot und kein umgebürstetes Pseudo-Original. Die großen Geschichten wie die der alten Griechen zum Beispiel wurden in allen Jahrhunderten neu interpretiert und neu gedichtet. Das fühlt sich für mich besser an, als darüber zu streiten, ob eine Frau den Macbeth spielen sollte oder nicht.

Zur Person: Caroline Peters

wurde in Mainz geboren. Die 49-Jährige hat an allen wichtigen deutschsprachigen Bühnen gespielt und ist seit 2004 Ensemblemitglied am Wiener Burgtheater. Bei den diesjährigen Festspielen in Salzburg übernahm Caroline Peters die Rolle der „Jahrhundertbuhlschaft“.

Der Spielplan des Burgtheaters im Dezember

Hier finden Sie aktuelle Termine und Informationen zum Burgtheater

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