Er ist Deutscher, mag Ludwig Hirsch und wundert sich, dass die Figuren aus dessen Liedern in Wien wirklich existieren, und außerdem sei Wien für ihn „ein einziger, langer Ulrich-Seidl-Film“. Und ihr ist im Sommer auf einer Alm in der Steiermark eine Schildkröte zugelaufen. Wir treffen Andreas Beck und Anna Rieser auf der Probebühne des Volkstheaters in der Wiener Margaretenstraße. Beck arbeitet mit Kay Voges bereits seit 2010. Beck war am Schauspielhaus Dortmund im Ensemble und wurde gleich dreimal mit dem Publikumspreis ausgezeichnet. Anna Rieser hat Voges mit ihrer Dankesrede bei der Nestroy-Verleihung ­beeindruckt und dann das Vorsprechen gewonnen. Sie ist in Hofgastein geboren – er in Stralsund. Ein Nordlicht und ein Kind der Alpen. Beide eint, dass sie sehr ruhige, über­legte Gesprächspartner sind. Sie nehmen sich Zeit, um Fragen des Gegenübers sickern zu lassen. Angenehm in Zeiten kollektiver Aufregung.

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Es spricht für das gesunde Selbst­bewusstsein von Kay Voges, dass er mit dem Thomas-Bernhard-Klassiker „Der Theatermacher“ im Jänner an den Start gehen will. Eine Produktion, die er aus Dortmund mitgebracht hat und die dort hymnische Kritiken einfuhr: „Zum Schreien komisch. Ein unglaubliches Schauspielfest“ und „Das Theater von Kay Voges ist derzeit das Innovativste, was man weit und breit sehen kann – und der ‚Theatermacher‘ ist der vorläufige Höhepunkt.“

Andreas Beck kennt Kay Voges schon aus seiner Zeit in Dortmund.

Foto: Peter Mayr

Immer auf der Suche nach Neuem

Wie ist es, wenn man aus dem hohen Norden nach Wien kommt, Herr Beck? „Ich finde die Nordlichter und die Wiener sehr ähnlich, weil beide nicht so zutraulich sind. Die Menschen sind im Gegensatz zum Ruhrgebiet sehr zurückhaltend.“ Geradezu überschüttet wurde Andreas Beck mit der Liebe des Publikums in Dortmund, die Entscheidung Voges’, den Charaktermimen nach Wien mitzunehmen, ist abseits des künstlerischen und menschlichen auch strategisch klug. Denn Voges ist mit einer gehörigen Skepsis gegenüber seiner Art, ­Theater zu machen, konfrontiert. Oder, wie es ­„Kurier“-Edelfeder Guido Tartarotti charmant distanziert formuliert: „Das erste Programm von Kay Voges liest sich ehrgeizig, spannend und ein bisschen wichtigtuerisch. Warum es ein ‚Volks‘-Theater sein soll, wird sich noch erschließen.“

Fragen wir beim Voges-Experten nach: Wie ist es, mit ihm zu arbeiten? „Kay Voges ist für mich der Grund, warum ich noch immer am Theater bin. Wenn man lange diesen Beruf ausübt, dann wiederholt sich vieles. Zuerst spielt man den Sohn, dann den Vater und dann den Großvater. Aber es kommt nicht viel dazu, außer dass man wechselnde Partner und Kulissen hat. Das Tolle an Kay ist, dass er immer auf der Suche nach etwas Neuem ist, um das Theater anders zu erfinden. Der Weg ist bei ihm das Ziel. Es hat Labor­charakter. “

„Das ist cool. Da wäre ich gerne dabei."

Anna Rieser hat noch nie mit Voges gearbeitet, ist aber Fan seit ihrem Schauspielstudium: „Schon am Mozarteum haben wir ganz genau verfolgt, was Voges in Dortmund macht: Die waren laut, die haben sich was getraut, die haben provoziert. Ich habe mir immer gedacht: Das ist cool, da wäre ich gerne dabei. Ich habe dann in der Zeitung gelesen, dass Voges das Volkstheater übernimmt, und da war mir klar: Da muss ich hin. Ich habe ihn dann bei der ­Nestroy-Gala kennengelernt, und er fand meine Dankesrede damals sehr charmant und hat mich zu einem Vorsprechen eingeladen. Und das hat gepasst …“

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Anna Rieser wird die Tochter des Theatermachers spielen. Andreas Beck den Brus­con, den Theatermacher. Das Stück spielt im heruntergekommenen Tanzsaal des Gasthofs Schwarzer Hirsch: Hier, im Dörfchen Utzbach, macht der Staatsschauspieler Bruscon Station mit seiner Menschheitskomödie, dem „Rad der Geschichte“. Er selbst in tragender Rolle und – zu seinem Leidwesen – auch alle Mitglieder seiner Familie in den Nebenrollen: die Kinder untalentiert, seine Frau ein nicht enden wollender Hustenanfall. Brus­cons Ansprüche sind maßlos – gegen sich selbst, gegenüber seiner Familie und dem Ort des Schauspiels.

Im „Theatermacher" schlüpft Anna Rieser in die Rolle von Bruscons Tochter.

Foto: Peter Mayr

Theater wird es immer geben

Es ist einer jener Novembertage in Wien, an denen der Nebel die Stadt fest umschlungen hält, niemand kann sagen, wann die Theater wieder öffnen werden. Andreas Beck hält nichts von kollektiver Depression und schon gar nichts vom Bejammern eines möglichen Theateruntergangs: „Theater wird es immer geben, weil dieses Live-Erlebnis von Publikum und Schauspielern immer eine Faszination haben wird. Darum geht es auch im ‚Theatermacher‘, wo viel darüber geredet wird, dass es kaum etwas Verlogeneres gibt als das Theater, und trotzdem liebt man es so. Das ist eine Verabredung, wo alle wissen, es ist Theater, und trotzdem lässt man sich fallen und will richtige Gefühle sehen, will lachen und weinen können.“ 

Ein Nordlicht erklärt den Wienern die Lebensfreude. Und man versteht jetzt, wie Beck mit seiner geerdeten Menschen­liebe zum Liebling des deutschen Publikums wurde …

Zu den Personen:

Andreas Beck: Beck stand bereits im Alter von fünf Jahren mit dem Kinderballett auf der Bühne. Er arbeitete vor seinem Studium in Leipzig als ­Beleuchter. Er war seit 2010 am Schauspielhaus Dortmund im Ensemble und erhielt dort dreimal den Publikumspreis. Beck führt auch Regie. 

Anna Rieser: In Bad Hofgastein geboren, erhielt Rieser im vergangenen Jahr den ­Nestroy für die Rolle der Grace in „Dogville“ am Landestheater Linz – hier war sie seit 2016 im Ensemble. Seit 2020 ist sie neu im Ensemble des Volkstheaters. 

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